Nomen Est Omen: Christian Pfeiffer is back… „Experte“ ohne Expertise

Auf ein Wort: Wer sich wunderte, warum es so lang so still in diesem Blog war…
Ich schrieb meine Magisterarbeit zum Thema „Eine Zensur findet nicht statt.“ Zum Problemfeld fiktiver Gewaltdarstellungen in den Neuen Medien im Kontext des deutschen Jugendmedienschutzes – Eine kritische Analyse des deutschen Jugendmedienschutzes, auf Grundlage medien-wirkungstheoretischer Erkenntnisse in Bezug auf fiktive Gewaltdarstellungen in Filmen und Computerspielen, vor dem Hintergrund aktueller Ereignisse – … Folgendes ist ein in Blogform umgewandelter (und stark bearbeiteter) Auszug dieser Arbeit und unterliegt entsprechenden Gesetzen zum Schutze geistigen Eigentums, also Finger weg :-D…

Es ist mal wieder so weit. In gewohnt populärwissenschaftlicher Manier rückt C. Pfeiffer ins Rampenlicht von Massenmedien und Politik, seines Zeichens Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsens e.V. (KFN), Hüter von Recht und Moral (gemäß seiner eigenen ehernen Maximen), sowie selbsternannter „Experte“ für Medienwirkungen audio-visueller Medien, explizit von Computerspielen. Noch am 17. April 2007 tat er es seinem US-amerikanischen Pendant Jack Thompson gleich und verkündete nach den tragischen Vorfällen in Virginia, an diesen seien „Killerspiele“ schuld – jedoch einen Tag später, als sein nordamerikanischer Gesinnungsgenosse, also erst am Folgetag der Tat. Eins hatten beide jedoch gemein: Ihre Schuldzuweisungen an die Neuen Medien erfolgten selbstentlarvend bereits noch bevor es (aussagekräftige) offizielle Stellungnahmen der ermittelnden Behörden zum Tathergang und vor allem zum Täter gab. Tatsächlich wurden später keinerlei Computerspiele beim Täter gefunden. Der Agitationsreflex wurde in seiner Gänze entblößt, wo nicht generell bereits triviale Logik u./o. ein Minimum an Sachkenntnis die Unkenntnis der Agitatoren entlarven. Eine Entblößung von vielen, wie hier später dargestellt wird.

Obwohl solchen Reflexen eine Qualität inhärent ist, die automatisch vom Diskurs über den vermeintlichen Zusammenhang von fiktiver und realer Gewalt (also der Frage nach der Wirkung von fiktiven Gewaltdarstellungen auf die Rezipienten) disqualifizieren sollte, wurde C. Pfeiffer dennoch an diesem Donnerstag (dem 26.04.2007) abermals als „Experte“ geladen, diesmal in den deutschen Bundestag. Geladen hatte der Unterausschuss Neue Medien, um in einer Expertenrunde im Berliner Paul-Löbe-Haus den Umgang mit gewaltverherrlichenden Computerspielen zu diskutieren, so verlautbarte zumindest Gamestar.de am 23.04.2007. Neben C. Pfeiffer waren zudem Prof. Dr. Hartmut Warkus (Uni Leipzig), drei Vertreter der Kontrollmedien und ein Abgesandter der Industrie. Was genau diese Expertenrunde zur Debatte beitragen soll ist ungewiss, da vermeintlich gewaltverherrlichende Medien bereits beschlagnambar sind und somit der quasi weitreichendsten Sanktionsmöglichkeit (immerhin einem bundesweit strafbewehrtem Totalverbot) nach deutschem Recht unterliegen. D.h.: Eine Verschärfung wäre für solche Medien gar nicht wirklich diskutierbar, eher Lockerungen. Aber vielleicht handelt es sich hier einfach um einen Fehler von Gamestar.de oder die übliche Unkenntnis der Politik.

Doch auf all dies soll hier nicht eingegangen werden, der Fokus richtet sich auf C. Pfeiffer. Es soll dargestellt werden, dass dieser Mann, welcher immer wieder als Experte angeführt wird, nicht mal Anforderungen an einen Laienstatus erfüllt. Interessant ist hier ein Blick auf seine Argumentation und vermeintlich wissenschaftliche Beweise für seine Meinung.

Wenn C. Pfeiffer von Wirkungen und Gefahren der Computerspiele spricht, bezieht er sich durchweg auf vermeintliche Forschungsergebnisse seiner eigenen, nach wie vor unveröffentlichten (und somit einem peer-review noch unausgesetzten) Studie zur (inzwischen umbenannten) „Medienverwahrlosung“ Heranwachsender, zu der in den ungezählten Monaten seit 2005 bislang nur ein nichtssagendes Abstract veröffentlicht wurde. Ein Sammelsurium von (in dieser Form) nichtssagenden Äußerungen, die selbst in dieser Fassung bereits allenfalls fragwürdig sind und Fehler und Probleme in C. Pfeiffers Vorgehen offenbart.

Wichtiger ist jedoch eine aktuell laufende Studie: So verkündete das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport unter U. Schünemann (CDU) am 18.09.06 gemäß eines zuvor ergangenen Auftrags der Innenministerkonferenz der Unionsparteien (nach einer klaren Absage der Bundesregierung an weitere Verschärfungen des Jugendmedienschutzes) eine Kooperation mit dem KFN. Ziel der Zusammenarbeit sei ein KfN-Forschungsprojekt zur Evaluation des Jugendmedienschutzes hinsichtlich dessen Umsetzung durch die USK zur Verschärfung des Jugendmedienschutzes (unterstützt von der Thyssen Stiftung). Die entgültigen Ergebnisse sollen am 31.05.07 auf der Jugendministerkonferenz vorgestellt werden. Die offizielle Pressemitteilung erläutert:

„In einem ersten Schritt werden dazu die Inhalte von rund 90 Computerspielen ermittelt, die unterschiedliche Alterseinstufungen erhalten haben. Danach werden die entsprechenden Gutachten der USK überprüft, in wie weit die Einstufungen nachvollziehbar sind oder es nach den Regeln des Jugendmedienschutzes zu anderen Bewertungen hätte kommen müssen. Auf der Basis der gewonnenen Erkenntnisse sollen anschließend in einer Arbeitsgruppe unter Einbindung des Jugend- und Kultusministeriums Konsequenzen ermittelt und ein Konzept mit dem Ziel einer gemeinsamen Initiative von Bund und Ländern erarbeitet werden. Schünemann und Pfeiffer waren sich darin einig, dass der Jugendschutz bei Gewalt verherrlichenden Computerspielen deutlich verbessert werden muss.“

Jedoch herhielt das KfN nur ca. 70 (exakt 72) USK-Gutachten und dies nur nach juristischen Komplikationen, da die USK die Gutachten nicht überantworten wollte/konnte. Tatsächlich dürfen diese Gutachten nicht ohne weiteres durch die USK veröffentlicht werden: „Da würden Eigentumsrechte der Anbieter verletzt. Zudem handelt es sich um einen hoheitlichen Verwaltungsakt. Da gelten ohnehin noch mal spezielle Regeln.“ (Christine Schulz, zitiert in: Peschke 2006b, S.1.) Nur wenn bspw. ein berechtigtes wissenschaftliches Interesse gegeben ist, gelten Ausnahmen. Diese anfängliche Vorenthaltung von Gutachten seitens der USK macht deren Haltung zum wissenschaftlichen Anspruch der KFN-Studie überdeutlich.

Ein relevanter Erkenntnisgewinn der aktuellen Studie ist zudem (bereits methodisch, wie später präzisiert wird) fragwürdig: Es ist a priori feststellbar, dass sich Altersklassifikationen per se nicht objektivieren lassen. Letztlich werden somit also lediglich den subjektiven, jedoch durch plurale Gremien erarbeiteten und somit zumindest auf Objektivität zielenden Prüfergebnissen der USK diejenigen des KfN vorgehalten – maßgeblich basierend auf moralisch/ethischen Maximen C. Pfeiffers, welcher sich zudem durch eine langanhaltende Kampagne gegen die USK als voreingenommen disqualifiziert (wie ebenfalls später präzisiert wird).

Das der aktuelle Jugendmedienschutz unzureichend sei, ist in dieser Studie also bereits Prämisse. Auch ein immenses negatives Medienwirkungspotential wird hier a priori vorausgesetzt, ohne adäquaten eigenständigen Ansatz einer Medienwirkungsforschung – stattdessen bezieht sich C. Pfeiffer wie erwähnt nur auf fragwürdige Forschungsergebnisse seiner eigenen Studie zur sog. Medienverwahrlosung, sowie Studien ähnlich inadäquater Mediengewaltgegner.

Fazit: Hier soll ex post facto einer ex ante intendierten Verschärfungsabsicht die wissenschaftliche Legitimation geliefert werden, dass Forschungsergebnis scheint bereits im Vorfeld festzustehen, ebenso die Konsequenzen: Herstellungs- und Verbreitungsverbote, sowie die Verstaatlichung der freiwilligen Selbstkontrolle (resp. eine Abschaffung der Co-Regulierung) seien unumgänglich. Tatsächlich fordern diese Konsequenzen bereits existentes, sind also unnötig: Gewaltverherrlichende Medien werden ohnehin (theoretisch) beschlagnahmt und die freiwillige Selbstkontrolle ist bereits de facto (halb-)staatlich.

C. Pfeiffer rekurriert mit seinen Thesen (wie kurz zuvor angedeutet) u.a. (mehr oder weniger implizit) auf diejenigen seines „medizinischen Sekundanten […] Manfred Spitzer“, vertritt also auch dessen Hypothesen, z.B. Bildschirmmedien machten „Kinder dick, krank, dumm und traurig“ (Christian Pfeiffer, zitiert in: Krell 2005) – und nicht zuletzt gewaltbereit. Zitat: „Wer aber Ego-Shooter und Kampfspiele spielt, bei dem erhöht sich die Gewaltbereitschaft enorm.“ (Christian Pfeiffer, zitiert in: Schmaler/Wiedersheim 2006) Dabei vertritt er die (triviallogisch und methodisch unausgereifte und folglich empirisch bislang ausschließlich ungenügend geprüfte) Habitualisierungsthese, diffamiert zugleich die Spieler: „Leute, die subjektiv in der Rolle des Mörders oder des Zuhälters sind, die müssen das weniger schlimm finden, damit ihnen das gefällt. So ist nun mal die Seele angelegt, dass sie versucht zu neutralisieren. Alles andere würde ja den Spaß vermiesen. Und das überträgt sich ins reale Leben, wo dann die Spieler solcher Spiele regelmäßig gehemmter auftreten, empathisch weniger kompetent sind als andere Menschen.“ (Christian Pfeiffer, zitiert in: Peschke 2006a, S.2.)

Zusätzlich vertritt er die (mit bereits erwähnten und vielen zusätzlichen Problemen behaftete) Imitationsthese, letztere jedoch nur für Einzelfälle: „Die Mehrheit der Jugendlichen führt das Computerspielen nicht zu Nachahmungseffekten. Die werden durch das Computerspielen nur schlechte Schüler und das wiederum kann dann auslösen, dass sie aus ihrem Frust, ein schlechter Schüler zu sein, aggressiv werden – aber nicht durch direkte Nachahmung, sondern mehr durch das mißlungene Leben, in dem das Computerspielen eine zu gewichtige Rolle bekommen hat.“ (Christian Pfeiffer, zitiert in: Krell 2005)

Der Einfluss anderer Faktoren (sowohl individualbiographischer, als auch reziprok damit einhergehende gesellschaftlicher und kultureller) wird von ihm jedoch angesichts des vermeintlichen Medieneinflusses relativiert, indirekte Wirkung durch Postulierungen direkter Wirkungen ersetzt – gewisse Spieler könnten Realität und fiktive Computerspielinhalte nicht mehr trennen. Zudem seien Computerspiele auch „ein notwendiger Faktor für den Amoklauf“ (Christian Pfeiffer, zitiert in: Peschke 2006a, S.2.), er behauptet: Hätte B. Bosse bspw. keine Computerspiele gehabt, „wäre er mit Sicherheit kein Amokläufer geworden. Früher hatten wir Amokläufe nur durch Erwachsene. Heute haben wir die Entwicklung, dass immer häufiger Jugendliche das machen. […] Man muss sich vor Augen halten: Sämtliche Amokläufer unter 20 Jahre, die wir in der letzten Zeit sehen mussten, sind massiv durch Computerspiele beeinflusst gewesen. Sie haben Handlungsmuster nachempfunden, die sie als attraktiv erlebt haben, sind also quasi auf den Spuren ihrer Computerspiele unterwegs gewesen.“ (Christian Pfeiffer, zitiert in: ebd.) Diese Einschätzung widerspricht nicht nur (quasi sämtlichen) Erkenntnissen der Medienwirkungsforschung, zudem gab es bereits früher derartige Taten durch Heranwachsende (Bekanntheit erlangte bspw. die Tat der damals 16-jährigen Marie Ann Spencer an der Grover Cleveland Elementary School in San Diego am 29.01.79).

Zudem kann generell bereits seine unkritische Verwendung des Begriffs „Killerspiel“ kritisiert werden. Zusätzlich rekurrierte C. Pfeiffer auf die damals aktuelle Debatte zur sog. neuen Unterschicht: „Die Playstation ist das Spielzeug der Armen. Gilt auch für den Computer, übrigens.“ (Christian Pfeiffer, zitiert in: Peschke 2006a, S.3.) Er sieht zudem in den Bildschirmmedien eine Erklärung für die ungenügenden PISA-Ergebnisse deutscher Schüler, sowie für eine (vermeintlich) zunehmend abnehmende Wirtschaftskraft der BRD. Entsprechend ist Kritik auch von politischer Seite gegeben. Der Bundestagsabgeordnete Klaus Uwe Benneter (SPD) kommentierte bspw. C. Pfeiffers Thesen entsprechend: „Ich habe auch nicht den Eindruck, dass er da wirklich so viel Ahnung davon hat.“ (Klaus Uwe Benneter, zitiert in: Güßgen 2006b)

Zudem disqualifiziert ihn seine langanhaltende Kampagne gegen die USK als thematisch voreingenommen. C. Pfeiffer kritisiert die Prüfkriterien der USK, denn „man müsse die Entscheidung mehr auf die Gewaltspitzen, die Exzesse im Spiel gründen. Ihren ‚ganzheitlichen Ansatz’ findet er da falsch, da er Gewalt gegebenenfalls relativiert.“ (Peschke 2006b, S.2.) D.h.: Der Forschungsansatz des KfN (hinsichtlich des quasi selbsterteilten Evaluationsauftrages der USK) sieht eine dekontextualisierte Analyse der Gewaltdarstellungen vor, liefert also bereits vom Ansatz her keine adäquate Behandlung der Mediengewaltproblematik. Eine etwaige negative Wirkung rückt also zunehmend aus dem Studienfokus und wird von noch subjektiveren moralisch/ethischen Kriterien verdrängt. Die moralisch/ethische Verzerrung seiner Perspektive wird nachfolgend präzisiert: C. Pfeiffer postuliert bspw. die Existenz von Spielen, „die vom Gewaltexzess her beispielsweise in die Nähe kommen von einem Pornofilm, bei dem real ein 13-jähriges Mädchen vergewaltigt wird und der Film anschließend für 4000 Euro ins Internet wandert.“ (Christian Pfeiffer, zitiert in: Peschke 2006a, S.1.) Er bestätigt auch auf erneutes Nachfragen, diverse Computerspiele auf einem Niveau mit Kinderpornographie zu lokalisieren – merkt jedoch an, dass diese bereits jetzt nach § 131 StGB strafbar seien. Rückschließend sind für ihn also auch aktuell dementsprechend beschlagnahmte Titel (also explizit Manhunt und div. Mortal Kombat Teile) quasi kinderpornographisch (jedoch ist davon auszugehen, dass ihm diese expliziten Titel nicht bekannt sind). Der gesamte Vergleich per se ist jedoch als absurd abzulehnen. Er präzisiert: „Eine Gesellschaft, die so ein Spiel freigibt für den Markt, ist krank. Zutiefst krank. Hier wird das Ausüben von Verbrechen belohnt. Ausgeschlossen. Für mich: Glatt ausgeschlossen. Ich bin fest davon überzeugt, dass dies der Einstieg in einen Werteverlust ist. […] Spiele, die derart unmoralische, ethisch nicht akzeptable Verhaltensweisen prämieren, würden bei mir alle vom Markt verschwinden.“ (Christian Pfeiffer, zitiert in: a.a.O., S.2.)

Deutlich wird er zudem bei Nachfrage zu seinen eigenen Computerspielgewohnheiten: „Ich spiele nie! Doch, ich habe ‚Counterstrike’ gespielt und all das gesehen, was der Jugendliche aus Erfurt gespielt hatte. Es war ziemlich zum Kotzen.“ (Christian Pfeiffer, zitiert in: Schmaler/Wiedersheim 2006) Letzteres ist insbesondere interessant, da C. Pfeiffer in seiner Kritik an die USK anmerkt: „Meiner Meinung nach muss ein Gutachter das Spiel selbst zu einem großen Teil gespielt haben.“ (Christian Pfeiffer, zitiert in: Peschke 2006a, S.1.) – ansonsten könne keine adäquate Beurteilung stattfinden. Zusammengefasst verdeutlicht dies den pornographischen Blick des antipathisch prädispositionierten Fremden.

Ein Kurzer Exkurs zur Definition des Fremden (gemäß Rainer Winter):
Der Fremde definiert sich durch nur marginale und unsystematisierte Lesekompetenzen, gekennzeichnet durch eine naive Orientierung im und einer undifferenzierten (simplifizierten) Interpretation des Medientextes, weshalb meist versucht wird, Interpretationsrahmen anderer Genres aufeinander zu übertragen – Textunterschiede werden weniger innerhalb eines Genres, als im Vergleich der Genres miteinander wahrgenommen [(d.h.: „Sie haben noch nicht gelernt, die Sprache eines solchen [Mediums/Genres] zu entschlüsseln. Sie kennen die Typika nicht und verstehen deshalb [den Medieninhalt] auch nicht vollständig.“ (Thomas Hausmanninger, zitiert in: Gottberg 2001a, S.48f.)]. Durch ausgelassene/inadäquate Einordnung der Medientexte in ein sinnstiftendes Relevanzsystem, ist die Rezeption eine potentiell negative, einzustellende Erfahrung (Möglicherweise „sind sie abgestoßen, finden schlimm und grässlich, was sie gesehen haben und unterschreiben eventuell am nächsten Tag eine Petition zum Verbot solcher [Medieninhalte]“, (Thomas Hausmanninger, zitiert in: a.a.O.) beachten diesen Inhalt nicht weiter oder aber dieser wirkt positiv und der Rezipient avanciert zur nächsten, medienkompetenteren Stufe.). Als Anmerkung, Fremde sind eher die Ausnahme in einer Mediengesellschaft, Touristen und Buffs sind die Regel (der höchste Grad wäre der sog. Freak), diese Stellen in dieser Reihenfolge eine unterschiedlich hohe Grade von Medienkompetenz dar, wobei Fremde die Inkompetentesten sind. Auf eine weitere Definition wird hier verzichtet.

C. Pfeiffer war im Laufe des Jahres 2006 mehrfach massenmedial präsent (unmittelbar nach dem sog. Amoklauf von Emsdetten nahezu täglich) und stellte dabei die immer gleichen diffamierenden Mutmaßungen über die Arbeitsweise der USK an, ohne jemals Einsicht in oder Teilhabe an einem ihrer Prüfverfahren gehabt zu haben: „Wir vermuten, dass sich die ehrenamtlichen Gutachter zu stark auf die Inhaltsbeschreibung der Testspieler verlassen […]. Eine zweite Hypothese ist, dass die Regeln zu unklar sind.“ (Christian Pfeiffer, zitiert in: Seel 2006) Explizit unterstellt er ihr eine Blockierung der BPjM (fordert damit auch eine höhere Indizierungsquote) durch zu niedrige oder überhaupt erteilte Altersklassifikationen, was er mit einer angeblichen Industrienähe und Voreingenommenheit der Spieltester begründet – dabei griff er auch explizit Marek Klingenstein, den Cheftester der USK an: „Dass jemand, der nach eigenem Bekunden ein Fan der Computerspiele-Szene ist, selbst als Anwalt der Industrie auftrat, wenn es darum ging, Spiele vor der BPjM zu verteidigen, dass so jemand zum Cheftester und Ausbilder der übrigen Tester bestellt wird, das finde ich befremdlich. Wenn ich dann […] lesen muss, dass Herr Klingelstein das, was wir kritisch sagen oder was Rainer Fromm kritisch sagt, für ‚Schwachsinn’ hält, dann meine ich: Herr Klingelstein setzt sich nicht genügend mit den Folgen von Computerspielen auseinander. Weil er so involviert ist, weil das sein Hobby ist, sein Beruf. Daher ist er in meinen Augen eine zu problematische Person, um Teil der Organisation zu sein, die die Inhalte feststellt und sie dann ja an die Gutachter weitergibt.“ (Christian Pfeiffer, zitiert in: Peschke 2006a, S.1.) USK-Leiterin Christine Schulz (seit 06.02.06) dementiert: „Denn wer ist es denn, der über die Freigabe entscheidet? Das sind die Gutachter und der ständige Vertreter der Obersten Landesjugendbehörden. Die entscheiden mit einfacher Mehrheit in den Gremien. Kein Tester und kein USK-Mitarbeiter hat je eine Altersfreigabe entschieden. Liegt der Vorwurf der Tester darin, dass sie Spieler sind? Aber die müssen doch spielen können, um ihren Job zu erfüllen. Auch Herr Pfeiffers Tester können spielen. Natürlich ist die Industrie auch im Beirat vertreten, ja. Das sind zwei Personen von achtzehn. Die sitzen da mit Vertretern der deutschen Bischofskonferenz, von Jugendverbänden, der Kultusministerkonferenz, der Bundesprüfstelle und so weiter. Die geben insgesamt mit Mehrheit den Grundsätzen und der Prüfordnung sowie allen Änderungen in den Paragraphen ihren Stempel. Wie wir also industrienah arbeiten sollen, war mir ein Rätsel. […] Da kann ich nur sagen: Ich will niemals jemand anderen haben auf diesem Posten. Weil er auf seine Weise versteht, was die Industrie produziert. Und er war niemals, will ich jetzt gleich dazu sagen, im Auftrag der Industrie bei der Bundesprüfstelle. Er war im Auftrag der USK dort, um die BPjM beim Vorführen der Titel zu unterstützen, da die BPjM nicht vom Anbieter vorführen lassen möchte.“ (Christine Schulz, zitiert in: Peschke 2006b, S.1.)
Sie führt weiter aus: „Kein Tester und kein Gutachter der USK, die ja durch die Länder benannt werden, darf in der Hard- oder Softwareindustrie beschäftigt sein. Aber zu sagen, dass sich niemand auf eine Stelle hier bewerben darf, der aus der Industrie kommt? Natürlich muss man die Leute genau unter die Lupe nehmen, aber es kann doch kein Ausschlusskriterium sein, wenn man sich mit der Materie auskennt. So redet man aber nun mal, wenn man in den Bahnen von ‚Hassindustrie’ und ‚perverse Gamesindustrie’ denkt. […] Deswegen noch mal zur Industrienähe: Dass hier niemand sitzt, der tatsächlich meint, dass man bei einem Spiel Täter ist und Menschen ermorden muss, ja, das ist unsere Absicht. Wer hier selbst in seiner Betrachtung schon Spiel und Realität nicht auseinander halten kann, sollte über das Medium auch nicht urteilen.“ (Christine Schulz, zitiert in: a.a.O., S.2.)

Folgerichtig verkündete die USK noch in ihrer Pressemitteilung vom 22.09.2006:
„Wir sehen in den Äußerungen der Herrn Prof. Pfeiffer und Herrn Innenminister Schünemann mehr als nur eine Herabwürdigung dieses zu großen Teilen ehrenamtlichen Engagements. Die Wirkung solcher auf öffentliche Aufmerksamkeit statt Sachlichkeit zielenden Politik geht aber noch weiter: Sie bewirkt die Schwächung dessen, wofür sie vorgibt einzutreten: den Jugendschutz. Denn wieso sollten Handel, Eltern und Pädagogen einem System vertrauen und es unterstützen, das in der Öffentlichkeit als ungenügend gebrandmarkt wird? Wir hoffen, noch immer, dass die Diskussion wieder auf eine sachliche Grundlage zurück findet und sich auf die klaren rechtlichen Regelungen bezieht, anstatt vermeintliche Erkenntnisse aus Forschungsvorhaben zu ziehen, die noch nicht einmal richtig begonnen wurden.“

Dem ist zuzustimmen. Tatsächlich ist die Frage nach der Motivation C. Pfeiffers angebracht, da eine ohnehin angedachte – offiziell von Bund und Ländern beauftrage – Evaluierung des Jugendmedienschutzes (u.a. inkl. dessen Umsetzung durch die USK) durch das Hans-Bredow-Institut für Medienforschung der Universität Hamburg bereits im Oktober 2006 anlief, entgültige Ergebnisse sind bis September 2007 angedacht. Die Evaluierung durch das KfN ist also unnötig. Neben moralisch/ethischen Gründen ist das wahrscheinliche Motiv C. Pfeiffers auch der Zugang zu Forschungsgeldern, wie erstmalig Thomas Jarzombek (CDU) öffentlich spekulierte (ein Indiz dafür lieferte z.B. U. Schünemann mit seiner Forderung, explizit Kriminologen in die Personalstruktur der USK zu integrieren. Dies ist als Unterstützung C. Pfeiffers in seiner Funktion als Kriminologe zu verstehen). D.h.: Er „möchte die USK abschaffen. Oder, sagen manche, ihren Job übernehmen – und die dafür vorgesehenen Gelder gleich mit [gemeint sind hier die öffentlichen Gelder an die USK]. Die Hersteller bezahlen dafür, wenn ein Spiel durch die USK geprüft wird. Jährlich werden dort so mehrere Millionen Euro umgesetzt.“ (Stöcker 2006d).
USK-Geschäftsführer Klaus Spieler griff diesen Ansatz zustimmend auf und wies zusätzlich die Ambitionen C. Pfeiffers, sowie M. Spitzers, als reaktionär zurück: „Ihm und Spitzer gehe es in Wahrheit aber nicht nur um Spiele: Sie verabscheuten die USK für ihre Schulungsprogramme für Pädagogen. Hunderttausende Kindergärtnerinnen würden von der Einrichtung im Umgang mit Computern und der Vermittlung von Medienkompetenz unterrichtet. Pfeiffer und Spitzer sei das zuwider, sagte Spieler. Sie wollten alle Bildschirme aus Kindergärten und Schulen verbannen.“ (a.a.O.) Tatsächlich wären pauschale Herstellungs- und Verbotsforderungen kontraproduktiv für die mögliche einleitende Motivlage C. Pfeiffers, was erklären könnte, weshalb er gegen Verbote plädiert und den Landesinnenministern stattdessen alternative Vorschläge machte.

Welche Vorschläge genau, ist unbekannt. Denkbar sind jedoch Reformierungsvorschläge für die USK, u.a. hinsichtlich ihrer Prüfkriterien. Darüber hinaus sind (an M. Spitzer angelehnte) Forderungen denkbar, welche er zuvor äußerte: Die Schaffung von Ganztagsschulen und die Abschaffung des Zugriffs auf Bildschirmmedien durch Heranwachsende. Als (implizite) Alternative führt er aus: „Ich war in einer Schule in Süddeutschland, dort spielen viele Schüler in einer Blaskapelle. Gleichzeitig haben viel weniger Schüler einen Computer im Zimmer.“ (Christian Pfeiffer, zitiert in: Schmaler/Wiedersheim 2006)

Lange Rede, kurzer Sinn: C. Pfeiffer hat ist kein Experte, nicht mal ein Laie. Er hat schlichtweg keine Ahnung von der Materie… Um das zu verdeutlichen hätte schon eine kommentarlose Rezitierung seines grandiosen Zitates zu World of Warcraft (WoW) in einer wohlbekannten Hart aber Fair Ausstrahlung gereicht, in der er unwidersprochen WoW als ein Spiel definiert, in dem moderne Armeen mit High-Tech-Equipment gegeneinander Krieg führen.

Quellen:

– Krell, Peter C. (2005): Interview mit Prof. Dr. Pfeiffer (KFN). Online im Internet: , zugegriffen am: 21.02.2007.

– Schmaler, Dirk / Wiedersheim, Volker (2006): Mord ist Sport. Online im Internet: , zugegriffen am: 21.02.2007.

– Peschke, Andre (2006a): Nach Emsdetten. Prof. Pfeiffer im Interview. Online im Internet: , zugegriffen am: 21.02.2007.

– Peschke, Andre (2006b): USK in der Kritik. Online im Internet: , zugegriffen am: 21.02.2007.

– Güßgen, Florian (2006b): Verbotsdebatte. Machen Killerspiele „dick, dumm und hässlich“? Online im Internet: , zugegriffen am: 21.02.2007.

– Gottberg, Joachim von (2001a): Eigentlich lehnen die Zuschauer Gewaltdarstellungen ab – Katholische Sozialethik und der Blick auf populäre Medien. In: tv diskurs, H. 17 / 2001, S.42–49.

– Stöcker, Christian (2006d): Verbots-Debatte: Breitseite gegen Killerspiel-Jäger Pfeiffer. Online im Internet: , zugegriffen am: 21.02.2007.

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